1. Mythos: „Es sind doch nur zwei, drei Schiffe…“
2014 weist das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Liegeplätze an der Südmole von täglich bis zu zehn Schiffen genutzt wurden. Die Anlage ist mittlerweile sogar für bis zu 16 Schiffe geplant: Es können drei Binnenschiffe mit 135 m Länge hintereinander festmachen oder vier zwischen 80 und 110 m. Eine Belegung mit Schub- und Koppelverbänden ist auch möglich. Die Liegeplätze können von mehreren Schiffen nebeneinander belegt werden. Hierfür stehen ca. 55 m zur Verfügung. Dies ist ausreichend für 3 Schiffe mit einer Breite bis ca. 18 m oder 4 Schiffe mit einer Breite bis ca. 13 m (hier zur Quelle, S. 18).
Dass auf den offiziellen Zeichnungen nur 3 Schiffe zu sehen sind, ist daher eine grobe Verharmlosung. Wir haben aus Unterlagen, die wir über das Landestransparenzgesetz erhalten haben, herausgefunden, dass die Stadt schon 2014 von der hohen Frequenz der Schiffsanliegeplätze gewusst hat. Bereits damals wurde eine Zeichnung mit 9 Schiffen angefertigt – und nicht, wie heute 3. Dennoch haben die Stadtverantwortlichen die Anliegestellen direkt vor das Wohngebiet im Zollhafen gelegt – und das, ohne vorab eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder ein Lärmschutzgutachten anzufertigen. Wir fragen uns: Warum hat die Stadtspitze ihre Fürsorgepflicht für die Bürger/innen nicht ernst genommen? Die Mainz& berichtet ausführlich zu den Ausmaßen in einem Artikel vom 13. Februar 2019.
2. Mythos: „Hier lagen doch schon immer Schiffe“
Immer wieder wird von Befürwortern des Vorhabens, auch von Herrn OB Michael Ebling, darauf verwiesen, dass früher schon Schiffe an der Südmole und der Taunusstraße anlegten. Das aber ist eine Geschichte aus dem vergangenen Jahrhundert: Die Firmen Zucker-Göbel, Spedition Hildebrand und Rhenus, die ihre Lagerhallen und Industriegebäude am Ufer betrieben und dort ihre Waren und Güter umschlugen, gibt es seit Jahrzehnten an diesem Standort nicht mehr.
Bereits im Jahr 2013 ist zudem die Hafennutzung des Zollhafengebietes nach Wasserrecht aufgehoben worden und zahlreiche Wohnungen sind hier entstanden. Das Industriegebiet ist in ein Wohn-/Gewerbe-Mischgebiet umgewidmet geworden. Damit entfällt die Rechtfertigung für das Argument, an diesen Uferbereichen wieder Schiffe anlegen zu lassen.
3. Mythos: „Die Schiffe sind nicht laut. Es gibt Stromtankstellen.“
Ja, es gibt die Pflicht, die Stromtankstellen der Stadtwerke Mainz zu nutzen – wenn die Schiffe angelegt haben. Diese verhindern jedoch nicht den Lärm, der dadurch entsteht, dass die Binnenschiffe über 20-40 Minuten lang ein- und ausparken oder rangieren. Auch ist nicht gesichert, dass alle ausländischen Schiffe die notwendigen passenden Einrichtungen zum Stromanschluss besitzen.
Eine Untersuchung zum Schiffslärm von 2014 ist von einer Auslastung von 9 Schiffen ausgegangen und zeigt auf, dass hier bestimmte Grenzwerte bereits überschritten werden – es sollen jedoch zukünftig 16 Frachtschiffe anlegen dürfen. Wie das miteinander vereinbar sein soll, ist unklar. Die Untersuchungen zum schiffsbedingten Lärm sind im Planfeststellungsantrag (Anlage 8 E, ab Seite 161) daher unvollständig und unzureichend beurteilt worden.
Die Lärmuntersuchungen beziehen sich zudem ausschließlich auf die Schiffsliegestellen, der Lärm von der Autoabsetzanlage ist nicht berücksichtigt worden, da er außerhalb des Bebauungsplans liegt. Das heißt, es wird noch einmal deutlich lauter als bisher zugegeben. Denn am Autoabsetzplatz gibt es keine Stromtankstelle. Dort müssen die Schiffe ihren Motor eine halbe Stunde und länger laufen lassen, wenn sie ihren Wagen absetzen. Der Betrieb darf auch nachts ohne Einschränkung stattfinden.
Wir kritisieren nicht nur den Lärm, sondern auch die Schadstoffbelastung: Gerade beim Kaltstart von Dieselmotoren entstehen extrem hohe Schadstoffkonzentrationen. Moderne Schiffsmotoren müssen zeitgemäße Grenzwerte einhalten, allerdings gibt es keine Nachrüstpflicht. Da Schiffsmotoren jedoch mehrere Jahrzehnte im Einsatz sind, gibt es zahlreiche Motoren auf dem technischen Stand der 1960er und 1970er Jahre. Sie sind nicht nur laut, sondern stoßen auch große Mengen an Rußpartikeln, Feinstaub sowie Stick- und Schwefeloxiden aus, teilweise bis zum 3.500fachen eines aktuellen Diesel-PKWs. Hier zu einem spannenden Artikel aus der Süddeutschen Zeitung.
4. Mythos: „Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nötig. Es wurde hierzu ja ein Gutachten erstellt“
Für das Vorhaben hat ein vom Bauherrn bezahltes Ingenieurbüro aus Hannover – das auch die Schiffsanliegestellen bauen soll und somit ein Eigeninteresse hat – eine Umweltvorprüfung erstellt: Dabei wurde die Örtlichkeit in nur einer Begehung besichtigt, und das, noch bevor die neuen Häuser gebaut waren. Das Gutachten selbst ist bereits zwei Jahre alt, der Bearbeitungszeitraum begannt bereits im Juli 2013 und liegt somit mehr als fünf Jahre zurück.
Es wurde nicht berücksichtigt, dass die Neustadt bereits jetzt permanent nahe der europäischen Grenzwerte für Luftschadstoffe belastet ist, oft darüber hinaus: Die Bundesanstalt für Gewässerkunde veröffentlich bereits im November 2014, dass an der Südmole ein Jahresmittelwert von Stickstoffdioxid von 38 µg/m3 wurde. In der Mainzer Rheinallee wurden 2016 im Jahresdurchschnitt 39 µg/m3 ermittelt. Beide Werte liegen nur haarscharf unterhalb der Grenzwertes. Man kann sich denken, was passiert, wenn nun noch genau an diese Stelle eine Anliegestelle für bis zu 16 Frachtschifffe mit Dieselmotoren gebaut wird.
Auch wurden die zahlreichen Kinder auf den Spielplätzen, der Kita und den Schulen auf dem Feldbergplatz nicht einbezogen. In dieser Vorprüfung wird das sog. „Schutzgut Mensch“ auf weniger als drei Seiten abgehandelt (S. 32-34). Es werden zudem keine Immissionen der Schiffe quantifiziert oder berechnet.
Wir fordern daher eine wissenschaftlich saubere Umweltverträglichkeitsprüfung mit nachvollziehbaren Messungen.
5. Mythos: „Es hat eine Bürgerbeteiligung stattgefunden. Da konnten sich doch alle informieren und einbringen.“
Am 28. Juli 2015, in den Sommerferien, hat keine Bürgerbeteiligung, sondern lediglich ein Informationsabend unter dem Namen „Modernisierung der Schiffsanliegestelle Mainz Zollhafen“ im Café 7Grad stattgefunden. Auf diese Veranstaltung wurde am 25. Juli in der AZ sowie auf der so gut wie unbeachteten Website des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes hingewiesen. Es waren folglich nur 4 Bürger/innen anwesend. Das Protokoll finden Sie hier.
Wir kritisieren, dass die Veranstaltung durchgeführt wurde, noch bevor überhaupt jemand am Zollhafen gewohnt hat. Der Name der Vorhabens ist zudem irreführend: Der Bau betrifft auch die Bewohner/innen außerhalb des Zollhafens. Der Begriff „Modernisierung“ ist eine Beschönigung und verschleiert das wahre Ausmaß. Tatsächlich handelt es sich um einen Neubau – in der Bekanntmachung zur Planauslegung wird dies auch so genannt: Seite 1, II.
Die Ausmaße des Baus sind wie folgt: Die Ausdehnung der geplanten Liegeplätze beträgt ca. 450 m. Stromaufwärts ist zudem ein 165 m langer Autoabsetzplatz mit Havariestelle geplant, der bei Anlegen eines Schubverbands auf > 200 m ausgedehnt werden kann. Die Liegeplätze sind in ca. 15 m bis 18 m, an einer Stelle in 20,8 m Entfernung vom bestehenden Ufer geplant. Dies erfordern das Einbringen von 20 Dalben sowie die Erstellung von 7 Landgangstegen mit je 2 Pfählen. Damit auch PKWs von und auf die Schiffe umgesetzt werden können, wird zudem eine Fahrzeugbrücke mit 3 Pfählen errichtet, die 7,5 Meter breit und 19 Meter lang ist und ebenfalls rund 20 Meter in den Rhein hineinragt.
6. Mythos: „Die Stadt Mainz kann nichts machen. Der Rhein ist eine Bundeswasserstraße – und hierfür ist das Bundesverkehrsministerium zuständig“.
Wir befinden uns aktuell im sog. „Planfeststellungsverfahren“. Im Rahmen dieses Verfahrens konnte jede/r Betroffene – so auch die Stadt Mainz – ihre Einwände gegen den Bau einreichen. Diese werden dann von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt geprüft. Oberbürgermeister Ebling kann zum Beispiel eine Umweltverträglichkeitsprüfung fordern oder auch alternative Anliegestellen vorschlagen. Nichts von alldem ist bisher geschehen. Die Stadt bittet zwar in ihrer Stellungnahme um weitere Gutachten, scheut aber den ganzen Schritt zur Umweltverträglichkeitsprüfung – Wieso? Hier die Stellungnahme der Stadt.
Wir fordern als Bürgerinitiative, dass die gewählten Volksvertreter/innen im Interessere ihrer Bürger/innen handeln. Unseren Informationen nach beharren weder das Bundesverkehrsministerium noch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt auf Anliegestellen genau in der Neustadt. Sie sind offen für Alternativen, die die Stadt Mainz vorschlägt. Warum tut sich also nichts?